Ich vertrete im Rahmen von Change-Management-Konzepten die These, dass man ein Unternehmen wie einen lebenden Organismus betrachten kann.

Insofern sind dadurch auch Prozesse wie Geburt und Tod beobachtbar; werden Geburtshelfer und Sterbebegleiter gebraucht.

Als zertifizierter dying conciously teacher möchte ich dabei über die Sterbe-Begleitung im Unternehmenskontext sprechen, die sich – frei nach Elisabeth Kübler-Ross – in unterschiedliche Phasen einteilen lässt:

Erste Phase: Leugnen

Menschen, denen die Hiobsbotschaft einer nicht heilbaren Krankheit überbracht wird, reagieren zunächst oft mit Leugnung. Es wird dann beispielsweise darauf verwiesen, dass man sich kerngesund fühle. Man vermutet, der Arzt habe eine Fehldiagnose gestellt oder die Röntgenbilder vertauscht. Gegebenenfalls werden weitere Mediziner konsultiert. Das Wissen um die tödliche Bedrohung wird gewissermaßen psychisch abgespalten. Dieser Mechanismus schützt die Seele des Menschen vor emotionaler Überbelastung.

Im Unternehmenskontext entspricht diese Phase der „Kopf-in-den-Sand-Phase“, in der betriebswirtschaftliche Kennzahlen ignoriert oder der Slogan „haben wir schon immer so gemacht!“ ausgegeben wird. Gegebenenfalls verfällt die Organisation in puren, von aussen nicht nachvollziehbaren Aktionismus (Akquise, Überstunden, Hektik) – der seelische „Treiber“ ist der Selbe wie beim menschlichen Tod;

Zweite Phase: Zorn

Nach der Leugnung folgt idealtypisch die Phase des Zorns. Sie kennzeichnet sich durch eine Reihe von nach außen gerichteten, aggressiven Impulsen. Man verspürt Neid auf jene, die weiterleben, beschäftigt sich mit Plänen, die nicht mehr Realität werden. Diese empfundene Ungerechtigkeit zieht den titelgebenden Zorn nach sich. Man fühlt sich um sein Leben betrogen, hadert mit dem Schicksal. „Warum gerade ich?“ oder „Warum schon jetzt?“ sind typische Fragen. Je nach Konstitution können Menschen in dieser Phase aggressiv werden, weshalb diese für Angehörige und medizinisches Personal oft schwer auszuhalten ist.

Auch diese Phase ist recht leicht auf den Unternehmenskontext zu Übertzragen, dan zusätzlicher befeuerung vom Manager-Ego, das Scheitern nicht zulassen will.

Dritte Phase: Verhandeln

Wenn der Zorn abgeklungen ist, treten Sterbende oft in eine Phase des Verhandelns ein. Diese ist gekennzeichnet durch psychische Regression, das Zurückfallen in kindliche Denkmuster, insbesondere magisches Denken: den Glauben, man könne durch das eigene Denken Ereignisse in der externen Welt hervorrufen. Man versucht, sich beim Universum oder Gott Zeit zu erkaufen („Ich tue alles, wenn ich noch die Hochzeit meiner Tochter erleben darf.“). Man hofft auf Belohnung durch Kooperation, eine längere Lebensspanne oder die Freiheit von Schmerzen, hat aber die Tatsachen weitgehend akzeptiert.

Da es sich beim Tod von Unternehmen ja nicht um ein physisch-erlebbares Sterben handelt, ist diese Phase von ersten Verhandlungen mit Wirtschaftsanwälten Banken, Insolvenzverwaltern gekennzeichnet.

Vierte Phase: Depression

Verzweiflung und Verlust lösen in dieser Phase die Erstarrung, den Zorn und die Wut ab. Dies geschieht in zwei Formen. Die erste Form erfolgt reaktiv. Diese bezieht sich auf bereits geschehene Verluste, beispielsweise Geld für Krankenhausrechnungen oder auch der Verantwortung gegenüber der Familie.

Die zweite Form ist von der Natur her vorbereitend. Hierbei kümmert sich der Sterbende oder Trauernde um einen drohenden Verlust wie den Tod oder die Abwesenheit im Leben der Angehörigen.  Ein Eintritt in die fünfte und letzte Phase ist allerdings ohne das Kennen der Ängste und Verzweiflung nicht erreichbar.

Diese Phase der „Schockstarre“ ist bei Unternehmen in der Krise leicht beobachtbar und damit sehr stark ausgeprägt; ich halte dies für die „Entscheidende“ Phase. Denn wenn es gelingt, die Ängste und die Verzwiflung „anzunehmen“, transparent zu machen besteht die Chance auf ein „gutes“ Ende.

Fünfte Phase: Akzeptanz

Nicht alle Sterbenden kommen in der Phase der Akzeptanz an. Sie wird typischerweise leichter von alten Menschen erreicht, da diese weniger verbleibende Ziele haben und im Idealfall auf ein erfülltes Leben zurückblicken können. Dieses Stadium ist oft von tiefer Ruhe gekennzeichnet. Der Mensch wirkt befreit, schläft viel und hat ein vermindertes Bedürfnis nach Kontakt mit den Lebenden. Im besten Fall hat er inneren Frieden gefunden und ist bereit, die kommende Reise anzutreten.

Im Unternehmensalltag ist diese Phase optimalerweise dann erreicht, wenn die noch vorhandenen Resourcen nicht mehr auf eine der vier vorhergegangenen Phasen aufgewendet werden. Management und Mitarbeiter sich mit der nun als unabwendbar akzeptierten Situation abgefunden haben und sich auf das Leben „danach“ vorbereiten.

 

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